Mit dem iPad gegen Engpässe im Gesundheitswesen

Krankenhäuser erhoffen sich durch den Einsatz von Tablets oder Smartphones schnelleren Zugriff auf Patientendaten, Entlastung der Ärzte und mehr Qualität in der Pflege. Ein Projekt in Spandau hat geprüft, ob das iPad die Erwartungen erfüllt.

Als Dr. Sabine Presser bei der Visite zum ersten Mal mit einem iPad auftauchte, staunten die Patienten nicht schlecht: „Die dachten zuerst ich hätte meinen privaten Computer dabei. Aber als ich den Patienten ihre Röntgenbilder auf dem Bildschirm zeigen konnte, waren sie begeistert. Anhand der Befunde und des Bildmaterials kann ich ihnen jetzt Diagnose und Therapie besser erklären, und die Patienten können dies nun auch gut nachvollziehen“, erklärt die Oberärztin.

Seit Anfang April testet das Evangelische Waldkrankenhaus Spandau die Nutzung eines iPads im Klinikalltag. Das Tablet ist handlich und lässt sich überall hin mitnehmen. Außerdem ist das Betriebssystem bereits nach wenigen Sekunden online und intuitiv bedienbar. Sabine Presser und neun weitere Kollegen tragen das 730 Gramm wiegende Gerät ständig bei sich und haben so Zugriff auf Arztbriefe, Krankengeschichten, Befunde, Labor- und OP-Berichte, Pflege- oder Verwaltungsdokumente. Das iPad kann die Daten als Bild-, Film-, Ton- oder Textdateien abspielen und anzeigen. Loggen die Mediziner sich bei Dienstbeginn auf ihrem Gerät ein, haben sie einen Überblick über alle Neuigkeiten, etwa neue Aufnahmen oder Untersuchungsergebnisse.

Technik im Probebetrieb

Dr. Axel Wehmeier ist Leiter des Konzerngeschäftsfelds Gesundheit bei der Deutschen Telekom und Autor dieses Gastbeitrags für ZDNet (Bild: Deutsche Telekom).
Dr. Axel Wehmeier ist Leiter des Konzerngeschäftsfelds Gesundheit bei der Deutschen Telekom und Autor dieses Gastbeitrags für ZDNet (Bild: Deutsche Telekom).

Das Waldkrankenhaus Spandau erprobt das iPad als Bestandteil eines „Checkpad MED“ genannten Systems aus verschiedenen Komponenten, die auf die Bedürfnisse von Klinikärzten zugeschnitten sind. Es wurde von den Ärzten gemeinsam mit dem Medizin-Softwarehersteller Lohmann & Birkner Health Care Consulting sowie der Deutschen Telekom entwickelt.

Für den Telekommunikationskonzern sind intelligente Netzlösungen ein wichtiges Geschäftsmodell der Zukunft. Das Unternehmen will im Jahr 2015 mit neuen, innovativen Internetlösungen in den Bereichen Energie, Automotive und Gesundheit rund eine Milliarde Euro Umsatz erzielen. Damit liegt die Telekom im Trend: Denn nach einer Studie des Instituts research2guidance gehen 67 Prozent der Unternehmen im Gesundheitssektor davon aus, dass bereits im Jahr 2015 die Mehrheit des medizinischen Personals in den Industrieländern mobile Applikationen verwenden wird.

Das mobile Arbeiten wird auch an anderen Krankenhäusern erprobt. Mediziner des Knappschaftskrankenhauses Bochum arbeiten beispielsweise mit dem IT-Dienstleister Tieto zusammen. Auf Basis des Krankenhausinformationssystem (KIS) iMedOne entwickeln sie ebenfalls eine mobile Plattform für das iPad. Für das iPhone bietet Tieto mit der App iM1-Mobile bereits einen mobilen Zugriff auf das KIS iMedOne an. Aber auch die Ärzte der Asklepios-Kliniken wollen mit Hilfe von mobilen Anwendungen Zeit und Kosten sparen. Ihr Partner ist Siemens Healthcare. Das Unternehmen entwickelt derzeit für die Systeme Soarian Clinicals, i.s.h.med und medico mobile Applikationen für iPad und iPhone.

Zeitgewinn durch Checkpad MED

Jan Langrehr, Chefarzt der Klinik für Allgemein-, Gefäß- und Viszeralchirurgie am Waldkrankenhaus Spandau, gehört wie seine Kollegin Sabine Presser ebenfalls zu den Testern des Checkpad MED. Er kann sich seinen Dienst ohne den Tablet-PC schon gar nicht mehr vorstellen. Denn das Gerät verschafft ihm bereits jetzt deutliche Zeitgewinne: „Wenn ich früher aus der OP kam, wartete ein riesiger Aktenstapel auf meinem Schreibtisch: Befunde durchsehen und abzeichnen. Mit welchen Patienten geschieht was? Bei einigen Fällen liegen mir auch oft nicht genügend Informationen vor, um eine Entscheidung treffen zu können“, erklärt der Chefarzt. Dann muss er Kollegen konsultieren, nachfragen, Befunde neu anfordern oder im Zweifel den Patienten nochmals untersuchen lassen – das kostet natürlich Zeit und Geld. Beides ist im Klinikalltag ein knappes Gut. Wenn Professor Langrehr jetzt nach seinen OP-Terminen an seinen Schreibtisch zurückkehrt, ist sein Stapel merklich niedriger als früher.

Die Ergebnisse einer Umfrage des Marburger Bundes vom Februar 2011 bestätigen das Bild von überlasteten Ärzten: Danach arbeiten vollzeitbeschäftigte Ärztinnen und Ärzte rund 55 Stunden pro Woche. Die hohe zeitliche Belastung steht offenkundig in engem Zusammenhang mit der Personalnot der Kliniken. Im Durchschnitt sind 1,5 Arztstellen pro Abteilung unbesetzt. Als besonders störend empfinden die Ärzte die Schreibtischarbeit im Krankenhaus: Mehr als die Hälfte der Mediziner benötigt täglich mehr als zwei Stunden für Verwaltungstätigkeiten. Die Unzufriedenheit über die Arbeitsbedingungen drückt sich in klaren Zahlen aus: 41 Prozent der Befragten bezeichnen ihre Arbeitsbedingungen als schlecht oder sehr schlecht.

Lean-Management im Krankenhaus

Carsten Schaulinski, Geschäftsführer des Waldkrankenhauses, kennt das Problem: „Wir machen uns seit längerem Gedanken, wie wir unsere Ärzte entlasten können. Wir haben uns zum Beispiel Prozesse und Strukturen angeschaut. Wo kann Arbeit delegiert oder anders verteilt werden, wo lässt sich etwas sparen, ohne dass die Qualität leidet?“ Viel Spielraum haben Krankenhausbetreiber in Zeiten knapper werdender Budgets, steigender Anforderungen und härterem Wettbewerb nicht.

Die Antwort des Evangelischen Waldkrankenhaus lautet: Lean Management. Das heißt alle Aktivitäten, die für die Wertschöpfung notwendig sind, optimal aufeinander abstimmen und überflüssige Tätigkeiten vermeiden. „Mit Checkpad MED haben wir einen Baustein an die Hand bekommen, um dieses Prinzip auch im Klinikalltag umzusetzen“, erklärt der Geschäftsführer. Die Ärzte müssen nicht mehr nach den Informationen suchen, die Information kommt zu den Ärzten. Das spart Zeit und Geld. Außerdem steigt die Arbeitszufriedenheit. Jetzt können die Ärzte endlich vernetzt arbeiten.

Mehrstufige Datensicherheit

Bei der Einführung von mobilen Lösungen sind jedoch zwei Dinge entscheidend: Zum einen muss der Datenschutz gewährleistet sein, zum anderen müssen Hersteller und Anwender dem Thema Diebstahlschutz mehr Aufmerksamkeit widmen als bei fest installierten Computern. Die Anbieter sollten deshalb über ein mehrstufiges Sicherheitskonzept verfügen. Beim Checkpad MED werden die Daten beispielsweise stets verschlüsselt und über einen geschützten Tunnel separat vom öffentlichen Internet übertragen. Dazu gibt es für jeden berechtigten Nutzer Zertifikate, ohne die die Daten nicht abrufbar sind. Jeder Nutzer muss sich mit einer vierstelligen PIN an seinem Gerät registrieren und die eigentliche Anwendung mit einem zweiten, komplexen Passwort starten. Wird ein Gerät als vermisst gemeldet, löscht der Server per Fernzugriff sofort alle auf dem iPad zwischengespeicherten Daten.

Dass bei Krankenhäusern trotz der Vorteile der mobilen Dokumentation noch eine gewisse Zurückhaltung herrscht, hat zwei Gründe: „Zum einen benötigt ein Krankenhaus eine relativ große Zahl an Mobilgeräten, um mobile IT-Szenarien flächendeckend umsetzen zu können“, sagt Peter Haas, Professor für Medizinische Informatik an der Fachhochschule Dortmund. „Zum anderen sind mobile Lösungen in erster Linie eher etwas für Einrichtungen, die ihre IT schon sehr weit entwickelt haben.“

Rollen und Rechte

Damit die Mediziner immer über aktuelle Patientendaten verfügen, ruft Checkpad MED alle paar Minuten neue Daten von einem zentralen Server ab. Dieser greift auf die relevanten Datenquellen der Klinik zu und bereitet sie für die Darstellung auf dem iPad auf. Die Informationen können aus einem KIS kommen oder aus Subsystemen und Archiven der Radiologie, des Labors oder der OPs. Eingescannte Dokumente werden über einen Web-Service den entsprechenden Fällen zugeordnet und ebenfalls vom Server verarbeitet. Die Datenübertragung erfolgt über ein krankenhausinternes WLAN oder breitbandig über den Mobilfunkstandard UMTS.

Damit jeder Arzt nur die Informationen bekommt, die er benötigt, steht hinter dem System ein umfangreiches Rollen- und Rechtekonzept. Wie der Test im Waldkrankenhaus Spandau ausgehen wird, ist im Moment noch offen. Allerdings möchte die Oberärztin Sabine Presser ihr iPad schon jetzt nicht mehr hergeben: „Ich habe jetzt deutlich mehr Zeit, um mit Patienten oder Kollegen ein nettes Wort zu wechseln. Außerdem kann ich schnell auf alle vorhandenen Informationen zugreifen und meine Arbeit zum Wohl des Patienten sowie des Krankenhauses besser als vorher erledigen.“

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7 Kommentare zu Mit dem iPad gegen Engpässe im Gesundheitswesen

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  • Am 2. August 2011 um 21:11 von OdinX

    Schlechte Wahl der Geräte
    Gerade Apple wird als Firma nicht gerade für eine rühmliche Datenschutzpolitik gelobt. Ich finde es aus diesem Grund nicht angemessen, dass sensible Patientendaten, die äusserst aufwändig geschützt sein sollten, auf einem solchen Gerät aufbewahrt werden. Ich bin kein Verhinderer und ich begrüsse die Einführung von Technologie zum Nutzen der Bevölkerung wo immer es nur geht, trotzdem geht das zu weit. Android wäre in dieser Situation die mit Abstand bessere Wahl, oder man ermöglicht die Nutzung von beidem.

    • Am 3. August 2011 um 8:52 von Kritiker

      AW: Mit dem iPad gegen Engpässe im Gesundheitswesen
      …bloß gut, daß Google in Sachen Datenschutz ein Musterschüler ist…
      Oder anders gesagt: Wenn man keine Ahnung hat, sollte man besser ruhig sein… Freundlich formuliert…

    • Am 3. August 2011 um 10:29 von M@tze

      AW: Mit dem iPad gegen Engpässe im Gesundheitswesen
      Na ja, ich bin kein Apple User aber Android als die bessere Wahl hinzustellen, wenn es um das Thema Sicherheit geht halte ich auch fuer etwas gewagt. Google hat seinen Ruf als Datenkrake ja auch nicht umsonst bekommen. Zwei System parallel einzufuehren, ist Unsinn – das erhoeht nur die Kosten und schreit foermlich nach Kompatibilitaetsproblemen.

      Was mich bei der Ansicht der Bilder mehr beunruhigt, ist die Tatsache das jedes Jahr ein Haufen Menschen an Krankenhauskeimen sterben. Hier wird nun ein Geraet durch die Gegend gereicht, wo offensichtlich jeder Arzt, Patient, Pfleger, … mit den Fingern drauf herumwischt und damit Keime quer durch das Krankenhaus verteilt. Und jetzt erzaehl mir bitte niemand das wird aller 5 Minuten desinfiziert …

      PS: Mein Handy laeuft mit Android 2.3 – bevor jemand sagt ich haette was gegen Android. ;)

      • Am 3. August 2011 um 13:59 von boing

        AW: Mit dem iPad gegen Engpässe im Gesundheitswesen
        Eine Glasplatte lässt sich einfacher desinfizieren (oder mit einer zusätzlichen Beschichtung schützen) als eine Tastatur.

        • Am 4. August 2011 um 8:57 von M@tze

          AW: Mit dem iPad gegen Engpässe im Gesundheitswesen
          Sicher, aber wird sie auch geschuetzt oder desinfiziert? Ich denke eher nicht …

          Eine Tastatur wird auch nicht quer im Krankenhaus herumgereicht und es tippen (hoffentlich) auch keine Patienten drauf herum.

          • Am 4. August 2011 um 12:53 von boing

            AW: Mit dem iPad gegen Engpässe im Gesundheitswesen
            Das ist in entsprechenden Handlungsanweisungen zu fixieren wie bei jedem anderen technischen Gerät auch. Der Vorteil eines iPads ist, dass Hardware und Applikation nicht von einem Hersteller gekauft werden müssen. Das macht ja Speziallösungen im Gesundheitsbereich so teuer: es gibt kaum Konkurrenz. Mit dem iPad ist der Hardware-Preis geradezu zu vernachlässigen, die Applikationen können getrennt gekauft werden und es liegen keine Daten auf dem Gerät selbst. So kann z. Bsp. beim Schichtwechsel das Gerät zentral gereinigt werden – oder auch zwischendurch, wenn es notwendig sein sollte.

      • Am 17. August 2011 um 11:59 von Dr. Rainer Knirsch

        AW: Mit dem iPad gegen Engpässe im Gesundheitswesen
        … zum Thema Hygiene… Status Quo in vielen Krankenhäusern sind heute weiterhin dicke Papierakten oder Laptops, die während der Visite von Assistenzkräften bedient werden…

        Wenn man weiß wie verkeimt ein Laptop innen nach kurzer Zeit ist und wie die Lüfter dies munter raus pusten während einer Visite im ganzen Krankenhaus, dann ist ein ipad definitiv die bessere Variante, es lässt sich wegen der glatten Oberflächen auch gut abwischen…

        Und… in der Vergangenheit gingen bereits die Papiere von Hand zu Hand…

        Herzliche Grüße

        Dr. Rainer Knirsch
        Pressesprecher Deutsche Telekom

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