Yahoo braucht einen Käufer, keinen neuen CEO

Nach 20 Monaten hat der Aufsichtsrat Carol Bartz unwirsch vor die Tür gesetzt. Trotz eines tiefgreifenden Umbaus blieb der große Erfolg aus. Beobachter glauben, dass der Konzern schnellstmöglich versilbern sollte, was sich noch versilbern lässt.

„Do you Yahoo?“ fragt heute niemand mehr. Auch Carol Bartz nicht. Wahrscheinlich „googelt“ sogar sie, wenn sie sich nach ihrem Rauswurf bei Yahoo jetzt einen neuen Job sucht, ein Häuschen mit Meerblick kaufen will oder einfach nur ein Reiseziel für ihre Auszeit nach 20 Monaten bei dem Internetkonzern sucht. Damit ist eigentlich schon alles über die Lage des Unternehmens gesagt: Es hat trotz seiner zahlreichen Aktivitäten und auch trotz der guten Position in einigen asiatischen Märkten, etwa Japan, den Anschluss verloren.

Aus dem ehemaligen Vorreiter ist der ewige Zweite geworden. Aus dem Internetpionier derjenige, der es einfach nicht schafft, aus guten Produkten funktionierende Geschäftsmodelle abzuleiten. Flickr existiert zwar nach wie vor, aber wer heute Videos hochlädt, tut dies bei YouTube. Wer seinen Freunden Bilder zeigen will, macht dies bei Facebook. Wer im Web sucht nutzt – zumindest in den USA und den meisten westeuropäischen Ländern – in der Regel das Eingabefeld von Google, wer seine Produkte bewerben will kauft sich Keywords bei Google, und man erhält nur noch wenige Mails von einer Yahoo-Adresse.

Diese Tatsachen spiegeln sich auch im Wert der Yahoo-Aktie wider: Während das Papier Anfang 2000 mit fast 120 Dollar seinen Höchstwert erreicht hatte, dümpelt es jetzt gerade noch so im untersten zweistelligen Bereich vor sich hin. Dass der Kurs gestern nach Bekanntwerden der Bartz-Entlassung im nachbörslichen Handel um 6,27 Prozent auf 13,72 Dollar kletterte, ist eher ein ärgerliches Detail für die Gefeuerte als der Anfang eines neuen Höhenfluges.

Unter Carol Bartz sackte der Kurs der Yahoo-Aktie in 20 Monaten auf die Hälfte ab (Bild: CNET).
Unter Carol Bartz sackte der Kurs der Yahoo-Aktie in 20 Monaten auf die Hälfte seines Wertes ab (Bild: CNET).

Microsoft hatte wie bekannt Anfang 2008 noch 31 Dollar je Aktie geboten. Das hatte Yahoo damals abgelehnt und neun Dollar mehr gefordert. Dabei sorgte das Gebot von Microsoft – immerhin über 44 Milliarden Dollar – schon für heftiges Kopfschütteln und eine eifrige Suche nach Erklärungen für die Motive von Microsoft. Vielen war unklar, woher Yahoo die Chuzpe nahm, mehr zu fordern.

Jetzt sieht es so aus, als ob die Yahoo-Verantwortlichen der vertanen Chance nachtrauern. Bartz hat einiges getan, um den Anlegern und Analysten zu gefallen. Dazu gehört die Entlassung von mehr als 1000 Mitarbeitern sowie der angekündigte beziehungsweise bereits erfolgte Verkauf von Geschäftsbereichen wie Yahoo Buzz, AltaVista, Delicious und AllTheWeb.com. All das konnte die Talfahrt des Aktienkurses jedoch nicht aufhalten: Er sank unter der Führung von Bartz um rund die Hälfte.

Dass liegt auch daran, dass die Aktivitäten – zu denen auch einige kleinere Zukäufe im Werbeumfeld zählten – wenn überhaupt nur bescheidene Früchte trugen. Manche führen das darauf zurück, dass Bartz mehr Zeit gebraucht hätte. Bartz selbst nannte fast jedes Quartal neue und durchaus immer berechtigte Gründe, warum es wieder einmal nicht so geklappt habe, wie man sich das eigentlich vorgestellt hatte.

Ein Yahoo-Werbespot aus besseren, lustigeren Zeiten.

Ein nicht genannter Grund könnte sein, dass sich Yahoo mit der Zeit von einer im Vordergrund stehenden Firma zu einem Unternehmen entwickelt hat, dessen Aktivitäten von der Masse der Internetnutzer eher unbemerkt vonstatten gingen – etwa die Werbevermarktung. Ein anderer – zumindest für US-Anleger – ist möglicherweise, dass sich das erfolgreiche Geschäft von den USA in andere, vor allem asiatische Märkte verlagert hat. Und nicht zuletzt richtet sich das Augenmerk der Investoren derzeit auf Firmen im Umfeld der Sozialen Netze: Börsengänge wie der von LinkedIn oder die geplanten von Twitter und Facebook ziehen die Aufmerksamkeit auf sich. Die Yahoo-Aktie ist dagegen langweilig geworden.

Unterm Strich haben wohl viele Faktoren dazu beigetragen, dass sich der Aufsichtsrat entschlossen hat, ein Ende mit Schrecken einem Schrecken ohne Ende vorzuziehen. Wenig erhellend ist dagegen die Ankündigung des Aufsichtsratsvorsitzenden Roy Bostock: „Der Aufsichtsrat sieht enorme Wachstumsmöglichkeiten, die Yahoo nutzen kann. Wir haben talentierte Teams, denen erhebliche Ressourcen zur Verfügung stehen, und wir beabsichtigen, das Unternehmen auf einen Wachstumspfad zurückzuführen.“ Dass sind fast genau dieselben Worte, mit der sich bartz bei dem Konzern vorgestellt hat.

Wahrscheinlich ist es aber von Bostock gar nicht so ernst gemeint, sondern eher eine Werbebotschaft für potenzielle Käufer. Die einschlägigen US-Analysten sind sich weitgehend darin einig, dass Yahoo schnellstmöglichst so umgebaut werden soll, dass es sich möglichst gewinnbringend filetieren lässt. Dafür bieten sich besonders die Aktivitäten in Asien an – zumal sich dafür mit den aufstrebenden asiatischen Firmen wohl auch am ehesten zahlungskräftige Käufer finden lassen.

Am liebsten wäre allen Beteiligten inzwischen wohl ein kompletter Verkauf. Aber angesichts der 1,36 Milliarden Yahoo-Aktien ist das Unternehemn auch bei einem Kurs von aktuell gut 13 Dollar pro Aktie mit einer Marktkapitalisierung zwischen 17 und 18 Milliarden immer noch ein sehr großer Fisch. Aber nicht nur das, es ist auch ein Fisch mit vielen Gräten und nur wenig gut verdaulichen Teilen. Daher werden zwar potenzielle Käufer immer wieder genannt, sind aber letztendlich doch wenig wahrscheinlich.

Ein weiterer Yahoo-Werbespot aus besseren, lustigeren Zeiten.

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