Auto ohne Fahrer: erfolgreiche Erprobungsfahrt in Berlin

Mit sich selbst orientierenden Autos experimentieren Forscher schon jahrelang - bisher vor allem in der Wüste oder geschlossenen Arealen. Jetzt sind sie so weit, dass ein Auto mitten durch Berlin fahren konnte - mit Insassen, aber ohne Fahrer.

Für Sprachwissenschaftler ist es schlicht ein Pleonasmus, für Automobilenthusiasten je nach Standpunkt ein Traum oder ein Alptraum: das selbstfahrende Automobil. Ingenieure und Informatiker sehen es einfach als eine ungeheure Herausforderung. Ein einzelnes Auto sich selbständig bewegen und Hindernissen ausweichen zu lassen, ist vergleichsweise einfach. Aber mehrere sich gleichzeitig mit unvorhersehbaren Fahrtstrecken bewegende Objekte bei höheren Geschwindigkeiten unter Berücksichtigung der Verkehrsregeln in den Griff zu bekommen, ist unglaublich schwierig.

Versuche und Forschungsprojekte dazu gibt es mehrere, sowohl im Ausland als auch in Deutschland. Wissenschaftler der TU Braunschweig haben beispielsweise ihr Forschungsfahrzeug „Leonie“ – ein VW Passat Variant 2.0 TDI – vor knapp einem Jahr schon über den Braunschweiger Stadtring fahren lassen. Via Satellitenortung berechnete der Wagen seine Position im Straßenverkehr. Verschiedene Laserscanner und Radarsensoren sorgten dafür, dass er sein Umfeld wahrnehmen und in einem eingebauten Rechner laufend analysieren konnte, um dann entsprechend darauf zu reagieren.

"Leonie" bei ihrer ersten autonomen Testfahrt auf dem Braunschweiger Stadtring (Bild: TU Braunschweig).
„Leonie“ bei ihrer ersten autonomen Testfahrt auf dem Braunschweiger Stadtring (Bild: TU Braunschweig).

Bei Geschwindigkeiten bis zu 60 Stundenkilometern hielt das Forschungsfahrzeug auf der zweispurigen Fahrbahn des Braunschweiger Stadtrings die Spur, berücksichtigte Kreuzungen, wich Hindernissen aus und passte Abstände sowie Geschwindigkeiten dem fließenden Verkehr an. Zwar war – weil das so vorgeschrieben ist – ein Sicherheitsfahrer an Bord, der notfalls hätte eingreifen können, er hatte aber nichts zu tun.

An der Freien Universität Berlin arbeitet im Rahmen der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten AutoNOMOS Labs ein Team um den Informatikprofessor Raúl Rojas ebenfalls an einem Konzept für ein autonomes Auto. Es hat mit der Fernsteuerung von Fahrzeugen mit einem iPhone angefangen. Inzwischen entwickelte es – ebenfalls auf Grundlage eines VWs – das Fahrzeug „Made in Germany“. Dieses ist wie sein Braunschweiger Pendant mit Sensortechnologie ausgerüstet, kann so seine Umgebung wahrnehmen und sich auf Grundlage der ausgewerteten Daten selbstständig in alltäglichen Verkehrssituationen zurechtfinden.

Der modifizierte VW der Berliner AutoNOMOS Labs (Bild: Claudia Heinstein/www.blitzsaloon.de)
Der modifizierte VW der Berliner AutoNOMOS Labs (Bild: Claudia Heinstein / www.blitzsaloon.de)

Das Berliner Team tauscht sich regelmäßig mit den Google-Mitarbeitern um Sebastian Thrun in den USA aus, die ebenfalls an einem autonomen Fahrzeug forschen. Erste Testfahrten der Berliner auf dem verwaisten Gelände des Flughafens Tempelhof verliefen erfolgreich.

Um zu überprüfen, wie sich „Made In Germany“ im wahren Leben schlägt, wurde zusammen mit dem TÜV Nord ein umfassendes Sicherheitskonzeopt entwickelt und umgesetzt. Dieses war Voraussetzung für die Ausnahmegenehmigung des Landes Berlin, mit der das Fahrzeug im Straßenverkehr ausprobiert werden konnte. Diese Genehmigung wurde kürzlich erteilt, die Fahrt jetzt durchgeführt. Wie sie verlief, zeigt das folgende Video.

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3 Kommentare zu Auto ohne Fahrer: erfolgreiche Erprobungsfahrt in Berlin

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  • Am 27. September 2011 um 9:33 von Alex

    Der Fortschritt ist nicht aufzuhalten
    Ein selbstfahrendes Auto? Vor zehn Jahren hätte ich mir nicht träumen lassen, dass es das je gibt. Aber heutzutage scheints, ist ja alles möglich. Schon unglaublich, was man im Bereich der Technik und der Forschung alles entwickeln kann. Allerdings stellt sich mir hier die Frage nach dem Sinn: Wozu ein selbstfahrendes Auto? Dies dient doch rein der Bequemlichkeit des Menschen. Zudem würde ich mich nie so wohl fühlen, dass ich mich einfach zurücklehnen und die Fahrt genießen könnte. Nicht auszudenken, wenn da mal ein Fehler im System ist. Ich bin lieber selbst für das verantwortlich, was ich tue. Ich habe mir vor einigen Wochen beim Renault Händler in Wien einen Clio geleistet und den muss man auf jeden Fall noch höchstpersönlich lenken ;)

    • Am 28. Mai 2014 um 17:43 von Bernhard Unglaub

      Wenn z.B. ein älterer Mensch durch ein solches Fahrzeug sechs Jahre länger selbstbestimmt in seiner Wohnung leben kann und trotzdem alle Bedürfnisse von Versorgung (Einkaufen, Arzt, Behörden etc.) bis Freizeit (Geselligkeit, Kultur auch in der Provinz ohne flächendeckendes Angebot an Massenverkehr)sich selbst erfüllen kann, hat sich ein Fahrzeug für ca. 50.000 € armortisiert. Und das bei erheblich höherer Lebensqualität. Für ca. 700 – 800 € monatlich gibt es keinen Heimplatz.
      Weiter könnten z.B. in der Nichtfahrphase (z.B. nachts) Elektroautos selbst zur Ladestation fahren, Parkplätze vor dem Haus wären unnötig und wenn das Auto benötigt wird, ein Anruf und das Auto kommt vor die Tür – auch im Zentrum, wo kein Parkraum ist.
      Die Möglichkeiten sind nahezu unbegrenzt (z.B. kein gefährliches Fahren unter Alkohol und Drogen). Hoffentlich macht die Bürokratie nicht alles zunichte.
      Ich sehe aber schwarz für Taxis und Fahrschulen.

  • Am 2. Oktober 2011 um 12:07 von Roboterautofan

    erfolgreich aber nicht fehlerfrei
    Tatsächlich verlief es nicht ganz fehlerfrei bei der Probefahrt der FU Berlin, denn an einer Ampel stand die Sonne so tief, dass der Sensor überblendet war. Die Kamera hat daher eine rote Ampel "übersehen" und der Fahrer musste eingreifen, also bremsen… http://www.autonomes-fahren.de/autonomos-madeingermany-autonomes-auto-der-fu-berlin-im-berliner-verkehr/

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