Urteil: Wikipedia kann Pressefreiheit für seine Artikel in Anspruch nehmen

Diese schützt grundsätzlich die Verbreitung von Informationen. Wahre Tatsachenbehauptungen auf Wikipedia müssen in der Regel hingenommen werden - falsche nicht. Allerdings ist ein "Persönlichkeitsschaden" zu vermeiden.

Das Online-Lexikon Wikipedia genießt den Schutz des Presserechts nach Artikel 5 des Grundgesetzes. Dies hat das Landgericht Tübingen im Sommer geurteilt, wie jetzt durch eine Veröffentlichung bekannt wird. Es musste über die Klage eines Universitätsprofessors entscheiden, der Details zu seiner Person gelöscht haben wollte.

Wikipedia

Dass Wikipedia seine Mitgliedschaft in einer katholischen Studentenverbindung öffentlich macht, sah der Akademiker als Verletzung seines Persönlichkeitsrechts. Mit Schreiben vom 25. Oktober 2010 forderte er die Wikipedia-Betreiber daher auf, den Beitrag zu entfernen und eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben. Hierauf reagierten diese jedoch nicht – wie sie vor Gericht versicherten, weil sie das Schreiben nicht erhalten haben. Als er keine Antwort bekam, klagte der Professor.

Das Gericht führte in seiner jetzt veröffentlichten Urteilsbegründung (Aktenzeichen 7 O 525/10) aus, dass der Wikipedia-Eintrag zum einen nicht über genügend „Breitenwirkung“ für eine Schädigung verfüge und zum anderen kein Anknüpfungspunkt sei, um den Kläger „sozial auszugrenzen oder zu isolieren“. Außerdem müsse man schon gezielt nach dem Eintrag suchen – denn anders als in einer Zeitung stehe die Information nicht automatisch jedem zur Verfügung.

Zwar liegt laut Gericht durchaus ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrechts des Professors vor, dieser Eingriff ist aber nicht widerrechtlich. Ob dies der Fall ist, muss laut Gericht für jeden Fall gesondert „durch Abwägung der widerstreitenden Interessen bestimmt werden“. Dabei seien die Umstände des Einzelfalls sowie die Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention zu berücksichtiqen. Das Tübinger Gericht verweist zudem auf frühere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wodurch Kriterien entwickelt worden seien, die Leitlinien für den konkreten Abwägungsvorgang vorgeben.

„Danach müssen wahre Tatsachenbehauptungen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie nachteilig für den Betroffenen sind, unwahre dagegen nicht. Allerdings kann auch die wahre Darstellung das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen verletzen, wenn sie einen Persönlichkeitsschaden anzurichten droht, der außer Verhältnis zum Interesse an der Verbreitung steht. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn die Aussagen geeignet sind, eine erhebliche Breitenwirkung zu entfalten und eine besondere Stigmatisierung des Betroffenen nach sich zieht, sodass sie zum Anknüpfungspunkt für eine soziale Ausgrenzung und Isolierung zu werden drohen“, so das Gericht. Dies sei aber eben im vorliegenden Fall nicht gegeben.

Dass Wikipedia die Pressefreiheit für sich in Anspruch nehmen kann, begründete das Tübinger Gericht damit, dass allein in der deutschsprachigen Version über 300.000 Beiträge bereitgehalten werden und ein „erhebliches öffentliches Interesse“ an ihnen bestehe. Zudem schütze die Pressefreiheit grundsätzlich die Verbreitung von Informationen, wobei unter anderem auch das Recht eingeräumt wird, wahre Tatsachen zu publizieren.

[mit Material von Manfred Kohlen, ITespresso.de]

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