Die schnellsten DSLRs der Welt: Nikon D3s und Canon EOS 1D Mark IV im Vergleich

von Stefan Möllenhoff am , 17:02 Uhr

Flaggschiffe – es gibt wohl keine zwei Kameras, auf die diese Bezeichnung besser zutrifft, als die Nikon D3s und die Canon EOS 1D Mark IV. Die beiden DSLRs kosten soviel wie ein asiatischer Kleinwagen und brechen Rekord um Rekord. ISO 102.400 gegen ISO 102.400, neun gegen zehn Fotos pro Sekunde und Autofokussysteme, die jede andere Kamera wie eine lahme Ente aussehen lassen. Wir drehen ein paar Runden mit den Supersportlern.

Schon die Kartons der beiden Spiegelreflexkameras lassen erahnen: „In mir ist etwas Außergewöhnliches verpackt“. Aber weder mit der auffällig-goldenen Schachtel der Nikon D3s noch mit dem dezent-schwarzen Pappkleid der Canon EOS 1D Mark IV beschäftigen wir uns sonderlich lange – zu groß ist die Spannung auf die beiden DSLRs selbst. Mit zittrigen Händen falten und ziehen wir die Kartons auseinander, bis Hardware im Wert eines nagelneuen VW Polos auf dem Tisch steht. Unachtsamkeiten werden hier schnell teuer – mit 24-bis-70-Millimeter-Objektiv kostet die Nikon D3s knapp 7000, die Canon EOS 1D Mark IV gut 6000 Euro. Mit respektvoller Vorsicht schrauben wir die Optiken vor die Kameras und beten, dass die Akkus zumindest noch Kapazität für eine sofortige Mini-Fotosession bereitstellen.

Und tatsächlich, die Stromspeicher sind beide halb gefüllt. Die satt einrastenden Einschalter lassen das Gefühl aufkommen, als hätten wir soeben den Zündschlüssel eines Sportwagens umgedreht. Noch eben die Highspeed-Serienbildmodus-Sporttaste gedrückt, und es kann losgehen. Als Teststrecke hält vorerst das Büro her, aber das macht nichts. Im Dauerfeuer blasen die beiden Kameras neun beziehungsweise zehn Bilder pro Sekunde auf die Speicherkarte – selbstverständlich mit voller Auflösung, RAW und JPEG gleichzeitig sowie mit nachziehendem Autofokus und nach jedem Foto angepassten Aufnahmeeinstellungen. Das Schlagen der Spiegel und der merkliche Rückstoß lassen allerdings eher Maschinengewehr- denn Rennauto-Feeling aufkommen.

Karosserie

Kompakt und leicht? Von wegen! Schon die nackten Gehäuse der 1D Mark IV und D3s bringen mehr als ein Kilo auf die Waage. Mit den 28-bis-70-Millimeter-F2.8-Optiken schnellt der Zeiger auf rund zwei Kilogramm. Neben dem überaus großzügig dimensionierten Handgriff bringen beide DSLRs noch einen separaten Griff fürs Hochformat mit. Der Nikon-Body beansprucht mit 16,0 mal 15,7 mal 8,8 Zentimetern rund das dreifache Volumen von Einsteiger-Spiegelreflexkameras. Canon bewegt sich mit 15,7 mal 15,6 mal 8,0 Zentimetern in sehr ähnlichen Sphären.

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Aber irgendwo müssen die ganzen Bedienelemente ja auch Platz finden. 30 Tasten und Rädchen gibt es auf dem Gehäuse der 1D Mark IV, bei der D3s sind es gar 33 Stück. Zum Vergleich: Die Canon EOS 450D bietet gerade einmal die Hälfte an Knöpfen. Die große Auswahl gewährt Fotografen einen direkten Zugriff auf die wichtigsten Funktionen, ohne sich erst durch die Tiefen der Menüs kämpfen zu müssen und währenddessen möglicherweise ein Starfoto zu verpassen. Es finden sich nicht nur dedizierte Buttons für Serienbildmodus, Fokusmodus, Belichtungsmessung und Blitzbelichtungskorrektur, sondern auch zusätzliche Auslöser, Auswahlrädchen zum Festlegen von Blende und Belichtungszeit sowie Fokustaste fürs Hochformat. Doppelt gemoppelt hält eben besser.

Das Gewicht der Gehäuse kommt übrigens nicht von Ungefähr. Unter der Kunststoff-Beschichtung verbirgt sich bei beiden Modellen ein aus einer Magnesiumlegierung gefertigtes Chassis. Anders als ihre Highend-Kollegen Canon 1Ds Mark III und Nikon D3x würden sich unsere zwei Actionhelden im sterilen Studio nur langweilen. Mittendrin statt nur dabei lautet ihre Devise: Sie wollen bei Monster-Truck-Rennen dem Staub ins Auge blicken, und bei Speedboat-Events die Gischt schmecken.

Neben den 3 Zoll großen Farbanzeigen verfügen beide Digicams über zwei zusätzliche analoge Zeilendisplays – eines davon sitzt unterhalb des LCDs, das andere rechts neben der Hutze des Spiegelkastens. Bei Nikon halten vornehmlich die beiden kleinen Anzeigen zum Konfigurieren der wichtigsten Parameter her. Das Display schaltet sich nach einigen Sekunden ab und muss jedes Mal manuell aktiviert werden, will der Fotograf hier die aktuell gewählten Parameter einsehen. Canon bietet zusätzlich das LC-Display an.

Fahrhilfen? Fehlanzeige!

Szenenprogramme, Automatiken und dergleichen haben bei einer Profi-DSLR nichts verloren. Einen Moduswahlschalter sucht man bei beiden Kameras vergeblich. Nikon und Canon reduzieren das bei Einsteiger-Modellen prominent platzierte Bedienelement auf eine einsame Taste auf der Oberseite des Gehäuses. ESP, DSC und sonstige Fahrhilfen haben bei einem Rennwagen eben nichts zu suchen. Stattdessen gibt es Funktionsumfänge, die das 432 Seiten starke Nikon-Handbuch und die 275 Seiten umfassende Canon-Fibel mühelos füllen.

Am beeindruckendsten ist sicherlich die Lichtempfindlichkeit: ISO 102.400 – das schafft keine andere Kamera. Die bisher bei ISO 25.600 liegende Messlatte heben die zwei Fotogiganten um den Faktor vier nach oben. Aber was nutzt das in der Praxis? Verdoppelt sich der ISO-Wert, reicht die halbe Belichtungszeit aus, um eine ebenso ausgeleuchtete Aufnahme zu erzielen. Wo eine ISO-800-Kompaktkamera mit einer Viertelsekunde schon keine freihändigen Aufnahmen mehr ermöglicht, frieren die 1D Mark IV und die D3s dank 1/500 Sekunde auch Actionszenen noch zuverlässig ein. Rauschfreie Fotos darf man bei derartigen Empfindlichkeiten allerdings nicht erwarten.

Windows 7 kommt nicht mit ISO 102.400 zurecht: Der Wert läuft bei 65535 über.
Windows 7 kommt nicht mit ISO 102.400 zurecht: Der Wert läuft bei 65535 über.

Hubraum-Sensor oder kleiner Chip mit Turbo?

Die Voraussetzungen für klare Fotos sind bei der Nikon jedoch besser als bei Canon. Die D3s verfügt über einen 36 mal 24 Millimeter großen Vollformatsensor, auf dem sich 12 Millionen Bildpunkte breitmachen. Der Canon-Chip hingegen ist mit 27,9 mal 18,6 Millimetern etwas kleiner und beherbergt 16,1 Megapixel. Es stehen sich hier Pixelgrößen von 8,45 und 5,7 Mikron gegenüber. Auf die Fläche gerechnet ergibt das einen Unterschied um den Faktor 2,2. Das verschafft der D3s einen deutlichen Vorsprung, was rauscharme Fotos angeht. Bei Tageslicht dagegen bringt die 1D Mark IV dank höherer Auflösung mehr Details aufs Foto.

Turboloch nicht unten, sondern oben: Die 1D Mark IV verliert bei hohen ISO-Empfindlichkeiten schneller an Details als die Nikon D3s
Turboloch nicht unten, sondern oben: Die 1D Mark IV verliert bei hohen ISO-Empfindlichkeiten schneller an Details als die Nikon D3s.

Da die Nikon D3s einen Vollformat-Sensor besitzt, gelten die Brennweitenangaben des Objektivs auch im Kleinbildäquivalent. Der etwas kleinere Lichtfänger der Canon EOS 1D Mark IV dagegen erhöht die Äquivalentbrennweite um den Faktor 1,3. Die 24-bis-70-Millimeter-Optik kommt dann auf 31 bis 91 Millimeter, ein 400-Millimeter-Teleobjektiv auf 520 Millimeter. Wer sich sehr starke Vergrößerungen wünscht, freut sich zweifelsohne darüber. Panoramafreaks müssen jedoch mit einer deutlichen „Abschwächung“ ihrer Weitwinkel-Optik leben.

Fotografen, die immer wieder unter ähnlichen (Extrem-)Bedingungen knipsen, passen ihren Boliden perfekt an ihre Situation an. Soll die Kamera ohne Rücksicht auf den Fokus sofort mit dem Knipsen beginnen oder warten, bis das Bild mit Sicherheit scharfgestellt ist und so möglicherweise riskieren, dass ein Sensationsfoto flöten geht? Soll die DSLR beim Halten im Hochformat selbsttätig einen anderen Fokuspunkt wählen, um nicht den Himmel, sondern nach wie vor den vors Tor stürmenden Fußballspieler im Blick zu behalten? Es stehen hunderte von Parametern zur Verfügung, die zwar nach Kleinigkeit klingen, dem Fotografen das Leben aber deutlich erleichtern.

HDR-Fans [1] kommen bei den beiden Kameras voll auf ihre Kosten. Die Nikon D3s nimmt Belichtungsreihen mit bis zu neun Fotos und Abständen von 0,3, 0,7 oder 1,0 Lichtwerten auf. Bei der Canon EOS 1D Mark IV sind bis zu sieben Aufnahmen mit Helligkeitsabständen zwischen 0,3 und 3 Blenden möglich. Dank den hohen Serienbildgeschwindigkeiten stellen auch Freihand-HDR-Fotos kein Problem dar.

Video- statt Fotofinish

Dem allgemeinen Trend bei Spiegelreflexkameras folgend, zeichnen die 1D Mark IV und die D3s auch Videos auf. Hier ist die Canon klar im Vorteil: Die maximale Auflösung beträgt 1920 mal 1080 anstelle von 1280 mal 720 Pixel. Zudem stehen als Frameraten 30, 25 und 24 Bilder pro Sekunde und nicht nur 24 fps wie bei der Nikon zur Verfügung. Erfreulicherweise lassen sich bei beiden DSLRs Blende, Belichtungszeit und ISO-Empfindlichkeit frei konfigurieren.

Einen kontinuierlichen Autofokus, der die Schärfe während des Filmens nachführt, gibt es leider bei keinem der Modelle. Ein Druck auf die Schärfetaste stellt das Bild zwar mittels Kontrast-Autofokus scharf. Allerdings dauert das etwas, und die Motorengeräusche der Objektive sind auf dem Video zu hören. Und selbstverständlich sind die beiden DSLRs einem ausgewachsenen Camcorder in puncto Handling gnadenlos unterlegen.

Vollgas mit Kickdown

Beim Fotografieren bei guten Lichtbedingungen scheint „Auslöseverzögerung“ für die beiden Profi-DSLRs ein Fremdwort zu sein. Um auf das Motiv scharfzustellen, benötigen die beiden Kameras bei Tageslicht gerade einmal eine Zehntelsekunde. Im Zwielicht zieht die D3s allerdings davon – der Grenzbereich ist einfach ein ganzes Stück größer. Wo die 1D Mark IV bereits ins Schleudern kommt, fährt der Nikon-Autofokus noch schnurstracks ins Ziel.

Um den Vollgas-Serienbildmodus an seine Grenzen zu bringen, fotografieren wir bei einem Handballspiel. Weder bei Canon noch bei Nikon gibt es Probleme, in der mäßig beleuchteten Halle auf vernünftige Verschlusszeiten bei ordentlicher Bildqualität zu kommen. Der Autofokus passt die Scharfstellung nach jedem geschossenen Foto auf die in Richtung Tor stürmenden Spieler an und sorgt für zuverlässige Ergebnisse. Die Nikon macht zwar einen minimal schnelleren Eindruck, auf die Ergebnisse hat das allerdings keinen nennenswerten Einfluss.

Schwippschwapp: Mit zehn Bildern pro Sekunde fängt die Canon EOS 1D Mark IV den Wasserspritzer zuverlässig ein.
Schwippschwapp: Mit zehn Bildern pro Sekunde fängt die Canon EOS 1D Mark IV den Wasserspritzer zuverlässig ein.

Gähn: Diese Katze findet es nicht besonders aufregend, fotografiert zu werden.
Gähn: Diese Katze findet es nicht besonders aufregend, fotografiert zu werden.

Im Zwielicht sieht das schon wieder anders aus. Wir machen uns mit den beiden Kameras kurz nach Sonnenuntergang auf Motivjagd. Wo die D3s noch einwandfrei fokussiert, zwingt uns die 1D Mark IV dazu, auf einen helleren Gegenstand mit Motiv-ähnlichem Abstand zur Kamera zu fokussieren, und dann den gewünschten Bildausschnitt abzulichten.

Fazit

Wer – abgesehen von Profis – mehr als 5000 Euro für eine Kamera ausgibt, muss entweder zu viel Geld besitzen oder ein sehr ambitionierter Amateur sein. Aber es ist eben wie bei Autos. Ein VW Polo kommt in der Regel auch ans Ziel, und ein Handy schießt ebenfalls Fotos. Richtig Spaß macht’s dann aber eben doch erst mit ordentlich Power unter der Haube beziehungsweise dann, wenn sich die Ergebnisse sehen lassen können. Die Nikon D300s [2] und die Canon EOS 7D [3] bringen 95 Prozent der Leistung der zwei Extrem-Profis, aber hier liegt eben auch der Unterschied zwischen gut und sensationell. Einen Polo auf der Rennstrecke um zehn Sekunden zu beschleunigen, lässt sich mit ein paar tausend Euro bewältigen. Für die letzten paar Hundertstelsekunden gehen in der Formel 1 dagegen jählich Millionenbeträge flöten.

Von den beiden Supersportlern 1D Mark IV und D3s eignet sich das Nikon-Modell für die Puristen, die kompromisslose Geschwindigkeit für Actionfotos fordern. Die Canon bietet dafür einen flexibleren Videomodus und schielt mit der höheren Auflösung auch ein bisschen in Richtung Studiofotografie.

Artikel von CNET.de: https://www.cnet.de

URL zum Artikel: https://www.cnet.de/41532449/die-schnellsten-dslrs-der-welt-nikon-d3s-und-canon-eos-1d-mark-iv-im-vergleich/

URLs in this post:

[1] HDR-Fans: https://www.cnet.de/praxis/hard-software/41509771/die+beste+software+fuer+hdr_fotos+fuenf+programme+im+vergleich.htm

[2] Nikon D300s: https://www.cnet.de/tests/digicam/41502575/nikon+d300s+im+test+schnelle+profil_dslr+mit+toller+bildqualitaet.htm

[3] Canon EOS 7D: https://www.cnet.de/tests/digicam/41524646/canon+eos+7d+im+test+neue+massstaebe+in+puncto+geschwindigkeit.htm