- CNET.de - https://www.cnet.de -
Preview: HP TouchPad mit 9,7-Zoll-Display, WebOS und 1,2-GHz-Dual-Core-CPU
von Donald Bell, Eric Franklin und Stefan Möllenhoff am , 16:18 Uhr
Im April letzten Jahres hat HP den schwer angeschlagenen PDA-Hersteller Palm gekauft. So langsam reifen die Früchte der Zusammenarbeit heran – letzte Nacht hat Hewlett Packard in den USA ein Tablet und zwei Smartphones mit dem von Palm entwickelten WebOS-Betriebssystem vorgestellt. Dieses Preview zeigt unsere ersten Eindrücke von der 9,7-Zoll-Flunder TouchPad.
Der Markt der Tablets scheint förmlich zu explodieren. Während praktisch das ganze letzte Jahr über das iPad allein auf weiter Flur stand und fröhlich Milliarden in Apples Kassen schaufelte, schießen die Touchscreen-Computer jetzt wie Pilze aus dem Boden. Auf der CES [1] im Januar gab es schätzungsweise 50 bis 80 Tablets mit Android [2]-Betriebssystem zu sehen. Viele davon werden mit der neuen Honeycomb-Version in den Handel kommen, die letzte Woche offiziell vorgestellt wurde. Außerdem steht RIMs BlackBerry PlayBook in den Startlöchern. Und Apple [3]-Fans warten sehnsüchtig auf das iPad 2, das in den nächsten Wochen erscheinen soll. Bleibt da überhaupt Platz für HPs TouchPad mit WebOS-Betriebssystem?
Hardware
Auf den ersten Blick sieht das Gerät nicht nach Sonderling und nicht nach Revoluzzer aus, sondern eben wie ein Tablet, wie es sie schon zu Dutzenden gibt. Der 9,7-Zoll-Bildschirm ist ebenso groß wie der des iPads und bietet mit 1024 mal 768 Pixeln die gleiche Auflösung. Das Motorola Xoom bringt auf seiner 10,1-Zoll-Anzeige 1280 mal 800 Bildpunkte unter. Das Display sieht sehr angenehm aus und bietet erfreulich gute Blickwinkel. Ob ein IPS-Panel wie beim iPad oder ein TN-Panel wie beim Gros der Android-Tablets zum Einsatz kommt, wissen wir allerdings noch nicht. Üblicherweise sind es IPS-Screens, die die deutlich besseren Blickwinkel bieten.
Das Herz des TouchPad ist ein Snapdragon-Dual-Core-Prozessor von Qualcomm, der mit 1,2 GHz getaktet ist. Auch hier bietet sich wieder der Vergleich mit der Konkurrenz an: Im iPad schlägt eine 1-GHz-A4-CPU, im Motorola Xoom kommt der 1 GHz schnelle Dual-Core-Chip Nvidia Tegra 2 zum Einsatz. Geht man nach den nackten Zahlen, bietet das HP-Tablet also die beste Leistung, aber die Praxis sieht oft anders aus. Die Oberfläche des TouchPad ruckelt und hakelt hier und dort gelegentlich ein wenig – das ist beim iPad beispielsweise nicht der Fall. Aber nachdem das Tablet ohnehin erst im Sommer in den Handel kommen wird, lässt sich hier noch keine verlässliche Aussage treffen. Weder Hard- noch Software sind fertig.
Auf der Vorderseite des TouchPad befindet sich eine Webcam, die 1,2 Megapixel auflöst. Hinten am Gehäuse gibt es keine Knipse. Das iPad bietet gar keine Kamera, das Motorola Xoom verfügt über front- und rückseitige Digicam mit 2 beziehungsweise 5 Megapixeln. Nachdem – außer bei Apple – zwei Kameras bei Tablets inzwischen zum guten Ton gehören, sind wir etwas überrascht, dass HP nur eine verbaut.
Ein weiteres Ausstattungsmerkmal, das bei Tablets schon fast in die Kategorie „Selbstverständlichkeit“ fällt, ist ein Videoausgang. Selbst Smartphones geben Videos und Fotos schon per HDMI mit 1080p-Auflösung auf dem dicken 50-Zoll-Plasma im Wohnzimmer wieder. HDMI-Ausgang beim TouchPad? Gibt’s scheinbar ebenfalls nicht.
Zu spät zur Party? Ohne iPad und Honeycomb hätte das HP TouchPad Überflieger-Garantie.
Dafür bietet das TouchPad ein Schmankerl, das Palm-Fans bereits von den WebOS-Smartphones kennen. Das Tablet lässt sich mit der optional erhältlichen Touchstone-Ladestation drahtlos mit Strom versorgen. Apropos Strom: HP macht derzeit noch keine Angaben zur Akkulaufzeit des TouchPad. Entweder hat man sich darüber bislang noch keine großen Gedanken gemacht oder man ist mit den bisherigen Ergebnissen derart unzufrieden, dass man sie lieber nicht kommuniziert. Fest steht, dass die Dual-Core-CPU nicht gerade genügsam sein dürfte.
In Sachen Kommunikativität lässt das TouchPad kaum Wünsche offen. Es gibt WLAN nach dem flotten 802.11n-Standard und Bluetooth in der Version 2.1 +EDR inklusive A2DP-Unterstützung. HP will optional ein Bluetooth-Keyboard anbieten, das das Tablet zum vollwertigen Arbeitstier machen soll. Wie das iPad wird es das TouchPad sowohl mit als auch ohne UMTS-Modul zu kaufen geben. Und wie bei Apple hat die UMTS- beziehungsweise 3G-Ausführung einen A-GPS-Receiver an Bord.
Software: WebOS
Sicherlich ist die Hardware-Ausstattung wichtig, damit überhaupt irgendetwas funktioniert. Aber heutzutage sind die Tablets ohnehin alle sehr ähnlich ausgestattet. HPs große Chance ist es, sich durch die Software zu unterscheiden – und den Nutzer die Hardware vergessen zu lassen.
Das ursprünglich von Palm entwickelte WebOS wirkt, als fühle es sich auf dem 9,7 Zoll großen Display zu Hause. Die vorinstallierten Apps wie E-Mail-Programm, Browser, Photobetrachter, Kalender, Mediaplayer und Chat sind alle auf die große Bilddiagonale angepasst. Das Betriebssystem nutzt den Platz auf der Anzeige und füllt ihn mit Fenstern und übersichtlichen Menüs, so wie wir es beim iPad, beim PlayBook und beim Xoom gesehen haben. WebOS fühlt sich auf dem TouchPad wie ein richtiges Tablet-OS an – und nicht wie ein Betriebssystem, das man mit Gewalt vom kleinen Smartphone [5]-Display auf eine große Tablet-Anzeige ausgewalzt hat.
Der Homescreen hat sich seit dem ersten Palm Pre nicht großartig verändert und bietet dem Anwender ein erfrischend einfaches Interface an. Im Gegensatz zum iPad füllen sich hier nicht Bildschirm und Bildschirm mit Icons. Stattdessen fühlen wir uns eher an einen klassischen Windows-Desktop erinnert. Es gibt viel Platz für geöffnete Programme, und der Nutzer wechselt bequem per Fingerwisch zwischen den Tasks hin und her. Wer schon einmal ein WebOS-Smartphone von Palm benutzt hat, wird bestätigen können, dass das Konzept aufgeht und eine effekte Lösung für Multitasking auf Smartphones darstellt. Und das schon lange, bevor Apples Geräte überhaupt davon träumen konnten.
Eine der größten Herausforderungen an WebOS wird das Angebot an Apps sein. Palms beziehungsweise jetzt HPs App Catalog hat noch nicht dasselbe explosive Wachstum erfahren, wie es der App Store oder der Android Market durchgemacht haben. Hier hat der Hersteller noch einiges nachzuholen – und muss einen Weg finden, die Entwickler dazu zu bringen, Apps möglichst für kleine und große Displaydiagonalen gleichzeitig zu entwickeln.
HP hat fleißig Deals abgeschlossen und kann mit einigen hochkarätigen Apps aufwarten – von Facebook über Rovio (Angry Birds) bis hin zu Last.fm sind zahlreiche interessante Partner dabei. Ob es dem Hersteller allerdings gelingt, ein langfrisitges Interesse bei der Community und den Entwicklern zu wecken, wird sich erst ab Sommer zeigen.
[legacyvideo id=88086226]
Dem App-Mangel gegenüber stehen ein paar interessante Features, die WebOS seinen Konkurrenten voraus hat. Ein Beispiel wäre die Synchronisation von Text-Nachrichten zwischen verschiedenen Geräten. Wenn sich etwa das TouchPad und ein WebOS-Smartphone im gleichen Netzwerk befinden, kann man aufs Handy eingehende Textnachrichten auch bequem vom großen Display des Tablets aus beantworten – selbst wenn es nur das WLAN-TouchPad und nicht die UMTS-Ausführung ist. Das Feature klingt nicht nur für Endanwender, sondern auch für HP interessant. Es wäre ja natürlich traumhaft, wenn sich Kunden nicht nur eines, sondern gleich mehrere WebOS-Geräte kaufen. Das gleiche gilt auch für HPs Touch-to-Share-Funktion, mittels der sich URLs zwischen dem Tablet und dem Smartphone hin- und herschieben lassen. Alles, was man zum Übertragen tun muss, ist, die beiden Geräte aufeinanderzulegen. Auf dem Handy eingehende Anrufe lassen sich übrigens ebenfalls mit dem TouchPad beantworten.
Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal ist die skalierbare Onscreen-Tastatur. Auf der virtuellen Klaviatur befindet sich eine Schaltfläche zum Ändern der Größe – es gibt vier verschiedene Ausführungen. Sicherlich ist das ein nettes Feature, aber irgendwie können wir uns nicht dabei sehen, es ständig zu nutzen. Möglicherweise wäre dieser Punkt in den tieferen Einstellungsmenüs besser aufgehoben gewesen. Der Praxistest wird’s zeigen.
Außergewöhnlich ist außerdem die Reihe von Zifferntasten über dem virtuellen Keyboard – ganz wie auf einer konventionellen PC-Tastatur. Sie sind zwar etwas kleiner als die Buchstabentasten und leicht rundlich, machen aber das nervige Wechseln zwischen Buchstaben- und Ziffernlayout obsolet.
Just Type: Der Anwender fängt „einfach“ an, zu „tippen“, und WebOS bietet die verschiedensten Verwendungszwecke für den Textschnipsel an.
Ebenfalls erwähnenswert ist die Just-Type-Funktion – zu Deutsch: Einfach tippen. Und genau so ist es auch gemeint. Der Nutzer nimmt das Gerät in die Hand und haut einfach in die Tasten. Ganz gleich, ob es der Name eines Restaurants, ein potenzielles Status-Update oder der Titel eines Nirvana-Songs ist, das TouchPad gibt eine Reihe von Verwendungszwecken an. Darunter wären beispielsweise Suche im Internet, Posten auf Facebook oder E-Mail-Postfach durchsuchen. In der Theorie ist das eine geniale Funktion, die perfekt mit der Tablet-Idee einhergeht.
Ausblick
Mit dem TouchPad kommt ein weiteres Gerät mit einem weiteren Betriebssystem auf den Markt, das sich definitiv den Titel „iPad-Rivale“ auf die Fahne schreiben kann. Unsere ersten Eindrücke von HPs Tablet sind sehr gut, doch die Konkurrenz ist stark: Nicht nur Apple mit einem anstehenden iPad 2, sondern auch RIM mit dem BlackBerry PlayBook und unzählige Android-Honeycomb-Tablets von den unterschiedlichsten Herstellern werden um die Gunst der Kunden buhlen und HP das Leben schwer machen.
Derzeit gibt es noch zu viele offene Fragen, um den zukünftigen Stand des HP TouchPad abzuschätzen. Aber wenn der Hersteller seine Hausaufgaben bei Preispunkt, Akkulaufzeit und Verfügbarkeit macht, dann dürfte das TouchPad der Konkurrenz durchaus mehr als nur ein paar Käufer abspenstig machen.
Artikel von CNET.de: https://www.cnet.de
URL zum Artikel: https://www.cnet.de/41548593/preview-hp-touchpad-mit-9-7-zoll-display-webos-und-1-2-ghz-dual-core-cpu/
URLs in this post:
[1] CES: http://www.cnet.de/themen/ces-2014/
[2] Android: http://www.cnet.de/themen/android/
[3] Apple: http://www.cnet.de/unternehmen/apple/
[4] Hands-on mit HP Touchpad, Pre3 und Veer: WebOS hoch drei: https://www.cnet.de/41548576/hands-on-mit-hp-touchpad-pre3-und-veer-webos-hoch-drei/?pid=1#sid=41548593
[5] Smartphone: http://www.cnet.de/themen/smartphone/