"Nur" 8 Megapixel im Galaxy S3: Warum mehr Auflösung nicht unbedingt besser ist

von Daniel Schraeder, Jessica Dolcourt und Stefan Möllenhoff am , 14:56 Uhr

Vor der Vorstellung des neuen Android-Flaggschiffs von Samsung am letzten Donnerstag geisterten noch Gerüchte von einer 12-Megapixel-Kamera durchs Netz. Das Windows-Phone HTC Titan 2 bringt gar eine Digicam mit 16 Millionen Pixeln mit, und Nokia hat im Februar auf dem Mobile World Congress mit seinem 41-Megapixel-Smartphone für Furore gesorgt. Aber mehr Pixel bedeuten nicht unbedingt ein besseres Bild – teilweise sogar das Gegenteil.

Ähnlich wie bei der Vorstellung des iPhone 4S im letzten Jahr gab es bei der Präsentation des Samsung [1] Galaxy S3 nicht nur Begeisterung, sondern auch lange Gesichter: Hier wie dort hat die Gerüchteküche im Vorfeld kräftig gebrodelt und Hoffnungen erweckt, die das tatsächliche Gerät nicht erfüllen kann: Aus dem Keramik- wurde ein Plastikgehäuse, aus dem Full-HD- ein HD-ready-Display und aus der 12- eine 8-Megapixel-Kamera.

Dabei ist die Sache mit dem Keramikgehäuse wirklich schade. Das niedriger auflösende Display hätten wir uns fast denken können – und die Kamera? Braucht man überhaupt 12 Megapixel im Smartphone [2]?

Vom Gefühl her: Ja klar. Je mehr, um so besser. In der Praxis wissen wir aber durch diverse Tests, dass die eigentliche Bildqualität nicht unbedingt mit der Megapixel-Zahl zu tun hat. So erzielt beispielsweise das iPhone 4 mit seiner 5-Megapixel-Kamera bessere Ergebnisse als diverse Mittelklasse-Android [3]-Phones mit 8 Megapixeln – vor allem in dunklen Umgebungen.

Enttäuschung oder nicht? Das Samsung Galaxy S3 fotografiert mit "nur" 8 Megapixeln. [4]
Enttäuschung oder nicht? Das Samsung Galaxy S3 fotografiert mit „nur“ 8 Megapixeln.

Auf der anderen Seite müssen mehr Megapixel aber auch nicht unbedingt ein schlechteres Ergebnis bedeuten. Das iPhone 4S schießt mit seiner Kamera (8 Millionen Pixel) definitiv bessere Fotos als das 4er mit 5 Millionen Pixeln, und auch das Titan 2 von HTC [5] kann sich mit seiner 16-Megapixel-Kamera durchaus sehen lassen.

In der Praxis gehört also viel mehr dazu als nur die Pixelzahl, um tolle Bilder zu erzielen. Es geht um Linsen, Sensorgrößen, Bildprozessoren und auch um die Software, die auf den Smartphones zum Einsatz kommt.

Erste Zutat: größtmöglicher Bildsensor

Vor allem professionelle Fotografen geben wenig reine auf Pixelzahlen. Was viel mehr zählt, ist der Bildsensor. Denn er ist es, der das Licht einfängt und in elektrische Signale umwandelt. Er ist quasi der „Film“ im Handy.

Das Licht sucht sich seinen Weg durch die Linse und landet dann auf dem Bildsensor, der die Informationen erfasst und in Daten umwandelt. Ab dann übernimmt der Bildprozessor, der aus elektrischen Signalen wieder ein Bild baut – jetzt allerdings ein digitales – und dabei gleich auf die typischen Probleme wie Bildrauschen achtet und versucht, diese weitgehend zu umgehen.

Die Größe des Bildsensors ist entscheidend. Vereinfacht gilt: Je größer die Sensorfläche, desto größer können die einzelnen Pixel sein. Und je größer diese sind, um so mehr Licht fangen sie ein. Je mehr Licht sie einfangen, desto niedriger muss die Empfindlichkeit des Sensors eingestellt sein. Das wiederum sorgt für weniger Fehler beim Auslesen und damit für weniger Bildrauschen – und schließlich für bessere Fotos.

Wenn also in der Praxis eine Spiegelreflexkamera ebenso viele Megapixel wie ein Smartphone auf dem Datenblatt stehen hat, aber gleichzeitig über einen signifikant größeren Bildsensor verfügt, werden die Ergebnisse dennoch deutlich besser – obwohl die Pixelzahl die gleiche ist. Denn jeder einzelne Bildpunkt der Digicam ist größer, fängt mehr Licht ein – und sorgt so für eine höhere Präzision und weniger Störungen im Foto.

Hier haben wir auch schon den Grund dafür, warum Kameras mit weniger Pixeln unter Umständen bessere Fotos schießen als welche mit mehr: Je größer jeder einzelne Bildpunkt auf dem Sensor ist, um so besser die Qualität. Blöd ist allerdings, dass die meisten Smartphone-Hersteller die Größe des Bildsensors gar nicht erst angeben. Auch nicht auf Nachfrage. Und damit ermöglicht der Blick aufs Datenblatt quasi keinen Rückschluss auf das, was die Kamera in der Praxis leistet – das kann nur ein ausführlicher Test.

In letzter Zeit sprechen die Hersteller von Smartphones auch immer wieder von rückseitig belichteten Bildsensoren, die für fantastische Ergebnisse sorgen sollen. Bei diesen Sensoren befindet sich die Verdrahtung der einzelnen Pixel nicht auf der Vorder-, sondern auch der Rückseite des Chips – und verschwendet damit keine lichtempfindliche Fläche. Dementsprechend bietet ein rückseitig belichteter Chip, auch backside-illuminated oder BSI-Sensor genannt, mehr Platz fürs Licht und damit eben wieder eine bessere Qualität. Aber wie groß der Bildqualität-Sprung wirklich ist, lässt sich nicht aus dem Datenblatt ablesen, sondern nur in einem Test klären.

Nokia bringt eine 41-Megapixel-Kamera im Handy! Ist das Quatsch?

Die Finnen stellen in gewisser Weise tatsächlich eine Ausnahme in der Regel dar, dass mehr Megapixel nicht unbedingt eine bessere Bildqualität bedeuten – denn hier gibt es einen ganz anderen Ansatz. Das Nokia 808 PureView nutzt die einzelnen Pixel nämlich nicht, um ein gigantisches Bild zu erzeugen. Das wäre auch wenig sinnvoll, denn allein der Speicherplatzbedarf für diese Fotos wäre enorm. Beispielfotos auf der Nokia-Webseite belegen gut und gerne über 10 MByte. Und wenn noch dazu auch die Bildqualität nicht stimmt, geht die Rechnung definitiv nicht mehr auf.

Stattdessen schreibt das Nokia Fotos mit 5 statt 41 Megapixeln auf die Speicherkarte. Dafür werden die einzelnen Bildpunkte auf dem Sensor zusammengefasst, und das entspricht – vereinfacht gesagt – wieder einer größeren Fläche für jeden einzelnen Bildpunkt. Noch dazu ist der Bildsensor hier tatsächlich vergleichsweise groß, größer beispielsweise als bei den allermeisten Kompaktkameras und auf dem Niveau von Nikons spiegellosem Kamerasystem der 1-Serie.

Ein großer Sensor braucht viel Platz: Dort, wo der Bildsensor des Nokia 808 PureView sitzt, beschreibt das Gehäuse eine dicke Beule. [6]
Ein großer Sensor braucht viel Platz: Dort, wo der Bildsensor des Nokia 808 PureView sitzt, beschreibt das Gehäuse eine dicke Beule.

Einen ausführlichen Bericht über die Funktionsweise des PureView und unsere Einschätzung zur Bildqualität gibt es in der Story Nokia 808 PureView mit 41-Megapixel-Kamera: der Meister des digitalen Zooms [7].

Zweite Zutat: Objektiv

Besitzer von Spiegelreflexkameras werden es bestätigen: Es lohnt sich, mehr Geld in ein gutes Objektiv zu investieren als in eine hochpreisigere Kamera. Smartphone-Besitzer haben hier natürlich nicht die Wahl, sondern müssen mit der Optik leben, die der Hersteller verbaut hat. Die Kamera des iPhone 4S hat Apple [8] unter anderem damit beworben, dass es mit einer Blende und F2.4 eine gigantische Lichtstärke böte. Und HTC schreibt seinen neuen Boliden One S und One X sogar eine größte Blendenöffnung von F2.0 zu.

Je kleiner die Blendenzahl, desto mehr Licht dringt ins Gehäuse. F2.0 bietet also eine größere Blendenöffnung und damit eine bessere Lichtstärke als F2.4. Aber hat der Handyfotograf wirklich einen Nutzen davon, oder ist das bloß das neueste Spielzeug der Marketing-Abteilungen?

Das HTC One S verfügt über ein lichtstarkes F2.0-Objektiv. Aber was hat der Fotograf davon? [9]
Das HTC One S verfügt über ein lichtstarkes F2.0-Objektiv. Aber was hat der Fotograf davon?

Aufschluss gibt hier die sogenannte Blendereihe, die mit ganzen Stufen wie folgt aussieht: F1.4, F2.0, F2.8, F4.0, F5.6 und so weiter. Von einer Stufe zur nächsten, verdoppelt sich jeweils die Lichtempfindlichkeit. Bei zwei Smartphones mit gleichem Bildsensor bekommen die Pixel, vor denen eine F2.0-Linse sitzt, doppelt so viel Licht ab, wie die hinter einem F2.8-Objektiv. Zwischen F2.0 und F4.0 liegt sogar der Faktor vier. Und so weiter. Der Unterschied ist also durchaus vorhanden, in der Praxis aber nicht so gewaltig und revolutionär, wie man es bei manch einer Überschrift auf einer Hersteller-Webseite vermuten würde.

Viel wichtiger, allerdings in Zahlen schwerer zu fassen und damit komplizierter zu vermarkten, ist die Qualität des Objektivs. Kommt hier billiges Glas oder Plastik zum Einsatz oder handelt es sich um optisch einwandfreie Materialien? Ein Blick aufs Datenblatt hilft hier in den seltensten Fällen weiter. Erst ein Praxistest entlarvt schlechte Optiken, die für Lens-Flare-Effekte, flaue Kontraste, chromatische Aberrationen und dergleichen sorgen.

Ein weiterer Punkt am Objektiv ist dessen Position: Ist die Linse nämlich etwas geschützt angebracht, also beispielsweise leicht in die Rückseite eingelassen, so verdreckt sie nicht so schnell. Und ein dicker, fettiger Fingerabdruck auf der Linse ist der Bildqualität noch deutlich mehr abträglich, als eine billige Plastik-Optik.

Dritte Zutat: Bildprozessor

Neben der Größe und Qualität von Linse und Sensor ist der Bildprozessor von entscheidender Bedeutung für das Ergebnis. Die meisten aktuellen Smartphone-Chipsätze verfügen über einen expliziten Grafikprozessor, der die Bildverarbeitung hardwarebeschleunigt vornimmt.

HTC hat seinen neuen Top-Smartphones, dem One X und dem One S, darüber hinaus sogar einen dedizierten Bildprozessor verpasst. Dieser ist in der Lage, die Informationen aus dem Sensor auszulesen, zu einem Foto zusammen zu setzen und gleich die wichtigen Korrekturen durchzuführen – Kontrast, Schärfe, Rauschreduzierung und so weiter.

Auch die Qualität der Arbeit des Bildprozessors hat einen starken Einfluss auf das fertige Foto. Noch dazu ist sein Job für das Fotografieren selbst eine große Hilfe. Je schneller er arbeitet, desto flotter lassen sich Fotos hintereinander schießen – und um so mehr Effekte im Bild sind möglich.

Eine Information am Rande: Eine einfache Smartphone-Kamera kostet den Hersteller etwa 15 Dollar – das sagt zumindest Jon Erensen, der Analyst bei Gartner ist. Die Gerätebauer würden solche Informationen nicht herausgeben, überprüfen können wir sie also nicht. Aber: Der Einsatz von qualitativ hochwertigen Komponenten dürfte in etwa das Doppelte kosten – und genau diesen Block wollen sich die Hersteller natürlich vor allem bei günstigeren Modellen gerne sparen.

Vierte Zutat: Software

Unabhängig von der Hardware, die im Vorder- und im Hintergrund für eine gute Bildqualität verantwortlich wird, kommt es auch stark auf die Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine an: die Software.

Das geht damit los, wie schnell und einfach der Nutzer die Digicam-App auf seinem gesperrten Smartphone an den Start bekommt und wie flott dann das erste Bild im Kasten ist. Denn die beste Kamera nützt nichts, wenn alle guten Motive schon längst vergangen sind, wenn Fotograf und Hardware endlich fertig sind.

Weiter geht es mit Software-Unterstützung. Diverse Hersteller bauen in ihre Kamera-Apps inzwischen eine Lächel-Erkennung ein oder – wie Samsung beim S3 – gar einen Best-Shot-Modus. Dabei nimmt das Samsung bei einem Druck auf den Auslöser gleich eine ganze Reihe an Fotos auf und bewertet dann automatisch anhand von Kriterien wie Lächeln, Blinzeln, Schärfe und Bewegung das beste Foto.

Auch das Weitergeben von Bildern wird immer wichtiger. Bei Instagram beispielsweise geht es mehr um Effekte und schnelles Sharen in den Social Networks als darum, möglichst gute Fotos zu erhalten. Noch dazu werden ohnehin die wenigsten Bilder überhaupt noch ausgedruckt oder gar vergrößert – die Masse landet entweder auf Nimmerwiedersehen auf der Speicherkarte oder, im besten Fall, irgendwo zwischen Twitter und Facebook. Und dafür tun’s auch 2 Megapixel.

Manche Smartphones, etwa das Lumia 900 von Nokia, verfügen über mechanische Tasten zum direkten Starten der Kamera-App, auch wenn das Handy gesperrt ist. Andere Geräte verfügen über eine entsprechende Schaltfläche auf dem Sperrbildschirm. [10]
Manche Smartphones, etwa das Lumia 900 von Nokia, verfügen über mechanische Tasten zum direkten Starten der Kamera-App, auch wenn das Handy gesperrt ist. Andere Geräte verfügen über eine entsprechende Schaltfläche auf dem Sperrbildschirm.

Fazit

Gar nicht so leicht. Linse, Sensor, Bildprozessor und Software – all das hat Einfluss auf die Bildqualität. Fakt ist: Mehr muss nicht besser sein, kann es aber. Unterm Strich ist es jedoch im alltäglichen Einsatz für die Masse der Nutzer vollkommen egal, ob ihre Handy-Kameras nun 5, 8 oder 12 Megapixel erzielen. Hauptsache, die Bildqualität stimmt. Und diese lässt sich leider nicht anhand irgendwelcher Angaben in den zumeist in puncto Kamera sehr dürftigen Datenblättern ablesen oder auch nur erahnen, sondern nur im Praxistest ermitteln.

Artikel von CNET.de: https://www.cnet.de

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[1] Samsung: http://www.cnet.de/unternehmen/samsung/

[2] Smartphone: http://www.cnet.de/themen/smartphone/

[3] Android: http://www.cnet.de/themen/android/

[4] Image: https://www.cnet.de/i/story_media/41563978/samsung_galaxy_s3.jpg

[5] HTC: http://www.cnet.de/unternehmen/htc/

[6] Image: https://www.cnet.de/i/story_media/41563978/nokia_808_body.jpg

[7] Nokia 808 PureView mit 41-Megapixel-Kamera: der Meister des digitalen Zooms: https://www.cnet.de/digital-lifestyle/trends-technik/41559007/nokia_808_pureview_mit_41_megapixel_kamera_der_meister_des_digitalen_zooms.htm

[8] Apple: http://www.cnet.de/unternehmen/apple/

[9] Image: https://www.cnet.de/i/story_media/41563978/htc_ons_s_camera.jpg

[10] Image: https://www.cnet.de/i/story_media/41563978/nokia_900.jpg